In seinem Urteil vom 25.11.2020 hat der BGH entschieden, dass auch geringfügige Flächenabweichungen bei Gewerbemietverträgen eine Mietminderung auslösen können. Warum dieses Urteil gerade in der Corona-Krise für Gewerbetreibende hilfreich sein kann und wann Mieter auch bei kleineren Abweichungen einen Mietmangel geltend machen können, erläutern wir hier (Anmerkung zu BGH, Urteil vom 25. November 2020 – XII ZR 40/19).

1. Das Urteil

Die Klägerin, eine Ballettschule, hatte gegenüber dem Vermieter eine Minderung der Miete um 10 % geltend gemacht, weil die angemietete Fläche zu klein sei. Angemietet hatte die Ballettschule eine Fläche von ca. 300 m². Die Vermieterin hatte vor der Überlassung der Mieträume an die Mieterin Bauarbeiten in den Räumen durchgeführt, die zu einer ca. 10 m² kleineren Fläche führten. Die Ballettschule machte geltend, durch die fehlenden 10 m² könnten im betroffenen Übungsraum vier zusätzliche Schüler nicht unterrichtet werden, was weniger Einnahmen zur Folge habe. Daher sei die Miete trotz der Flächendifferenz von insgesamt nur 3 % um 10 % zu mindern.

Das Landgericht München I wies die Klage ab, das Oberlandesgericht München wies die Berufung durch Beschluss als offensichtlich unbegründet zurück. Die Ballettschule habe nicht konkret dargelegt, wie die geringere Nutzfläche den Übungsraum beeinträchtige.

Der BGH bestätigte die Klageabweisung. Ein Mangel liege zwar vor, weil die Beschaffenheit der Mietsache negativ von der Sollbeschaffenheit abweiche, eine Minderung wegen des Mangels setze aber zusätzlich voraus, dass die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt werde. Neben dem Vorliegen eines konkreten Sachmangels habe der Mieter also zusätzlich darzulegen, dass die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt sei. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung müsse er nicht vortragen. Es komme konkret darauf an, inwiefern die Mieterin im Gebrauch des Übungsraums durch die geringere Nutzfläche beeinträchtigt sei. Da die Ballettschule in den Vorinstanzen auf diesen Umstand bereits hingewiesen worden war, wies der BGH die Revision zurück.

2. Minderungsrecht des Mieters

Der BGH korrigierte mit dieser Entscheidung seine bisherige Linie, wonach eine negative Abweichung von unter 10 % als unerheblich galt. Nach der neuen Entscheidung kann auch eine geringere Flächenabweichung eine Mietminderung rechtfertigen – allerdings muss ein konkreter Nachweis erbracht werden, dass eine Beeinträchtigung durch die kleinere Fläche besteht.

Die Hürde, eine konkrete Tauglichkeitsbeeinträchtigung nachzuweisen, liegt hoch. Allerdings sind Fallkonstellationen denkbar, bei denen dies leichter fällt. Wenn zum Beispiel Flächen so angemietet sind, dass bestimmte Maschinen und Anlagen aufgebaut werden können und dies aufgrund der Flächenabweichung scheitert, können bereits wenige fehlende Quadratmeter ausreichen, um eine Tauglichkeitsminderung zu begründen.

Wenn die Mietfläche in ihrer Tauglichkeit gemindert ist und einen Mietmangel aufweist, ist auch eine Kündigung des Vertrages denkbar, weil der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache zum Teil nicht gewährt wird, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB. Für Mieter, welche bislang unter dem Hinweis auf eine „10 %-Klausel“ oder die vergangene Rechtsprechung des BGH einen Konflikt gescheut haben, bieten sich nun gegebenenfalls neue rechtliche Möglichkeiten.

3. Corona und die Fläche

Für die in der Coronakrise geplagten Mieter könnte dieses Urteil ein Tor öffnen, um eventuell überzahlte Mieten zurückzufordern. Viele Bundesländer hatten zeitweise Öffnungsbeschränkungen für Läden bei Überschreiten bestimmter Flächenmaße (z.B. ab 800 m²) gelockert. Wenn ein Mieter aufgrund einer negativen Flächenabweichung unter einer solchen Grenze lag, obwohl nach dem Mietvertrag eine dieses Maß überschreitende Fläche geschuldet war, dürfte sich hieraus eine „konkrete Tauglichkeitsminderung“ im Sinne der neuen BGH-Rechtsprechung ergeben. Im Einzelfall wäre in der oben dargestellten Konstellation etwa zu prüfen, ob ein Geschäft andernfalls tatsächlich hätte öffnen können und welche Tauglichkeitsminderungen sich dadurch ergeben.

Wichtig ist, dass bei der Mehrzahl der Gewerbemietverträge Mietminderungen – anders als etwa Anpassungen wegen einer corona-bedingten Änderung der Geschäftsgrundlage – nur dann einseitig vorgenommen werden dürfen, wenn sie nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Es ist daher gerade hier wichtig, die Vertragswerke und die Tauglichkeitsminderung sorgfältig zu prüfen.

4. Tipps für die Praxis

Für die Zukunft kann sich der Griff zum Lasermessgerät für den Mieter lohnen. Wenn eine Mindergröße der Flächen vorliegt, müssen damit verbundene Einschränkungen am Maßstab des BGH für konkrete Beeinträchtigungen geprüft werden.

Gerne stehen wir Ihnen für Fragen rund um die Möglichkeit zur Minderung zur Verfügung.